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So will der Bundesrat das E-Patientendossier voranbringen – was du dazu wissen musst

Q&A

So will der Bundesrat das E-Patientendossier voranbringen

· Online seit 27.09.2024, 14:50 Uhr
Bei der Einführung des elektronischen Patientendossiers harzt es. Bisher wurden nur wenige digitale Dossiers eröffnet. Der Bundesrat plant deshalb eine grosse Reform, über die bald das Parlament entscheiden wird. Die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick:
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Was ist das elektronische Patientendossier? 

Das elektronische Patientendossiers (EPD) ist eine elektronische Ablage von Dokumenten und Daten mit wichtigen Informationen rund um die Gesundheit der Patientinnen und Patienten. Diese können ihr EPD bei einem EPD-Anbieter, den sogenannten Stammgemeinschaften, eröffnen. Derzeit gibt es acht davon, fünf regionale und drei nationale Organisationen. Die Kantone sollen den Betrieb mindestens einer Stammgemeinschaft auf ihrem Gebiet sicherstellen. Die Nutzung des EPD ist für die Bevölkerung kostenlos. Die Gesundheitsfachpersonen nutzen die Informationen im EPD im Rahmen der medizinischen Konsultation und ergänzen es laufend mit aktuellen Informationen zu Behandlungen.

Wer verfügt aktuell über ein Patientendossier?

Gemäss Zahlen der zentralen Ausgleichsstelle (ZAS) wurden seit 2022 rund 72'000 EPD eröffnet. Die Westschweiz und die Deutschschweizer Kantone Aargau, Zürich, Zug, Basel-Stadt sowie Bern weisen demnach im Verhältnis zu ihrer Wohnbevölkerung die höchste Anzahl an Dossiers aus. Schweizweit verfügen nur 0,8 Prozent der Bevölkerung aktuell über eine elektronische Patientenakte.

Wer muss sich dem Dossier anschliessen?

Spitäler, Pflegeheime sowie neu zugelassene Arztpraxen sind gesetzlich verpflichtet, sich dem EPD anzuschliessen. Es ist Sache der Kantone, die Pflicht durchzusetzen. Für bestehende Arztpraxen, Apotheken und Spitex-Dienste besteht aktuell kein Obligatorium. Gemäss Angaben des Bundesamts für Gesundheit (BAG) nimmt seit Oktober 2023 die Zahl der ans EPD angeschlossenen Gesundheitseinrichtungen kontinuierlich zu. Stand August 2024 sind 82 Prozent der Spitäler, 57 Prozent der Pflegeheime, 18 Prozent der Arztpraxen, 10 Prozent der Apotheken sowie 3 Prozent der Spitex-Dienste angeschlossen.

Weshalb will der Bundesrat das elektronische Patientendossier forcieren? 

Mit dem EPD werden die Qualität der medizinischen Behandlung gestärkt, die Behandlungsprozesse verbessert, die Patientensicherheit erhöht, die Effizienz des Gesundheitssystems gesteigert und die Gesundheitskompetenz der Patientinnen und Patienten gefördert. So schreibt es der Bundesrat. Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hatte gezeigt, dass zu viel im Gesundheitswesen noch analog erledigt wird. Nicht nur arbeiten etliche Arztpraxen noch mit Papier, sondern es sind obendrein unterschiedliche Tools im Einsatz.

Wie will der Bundesrat das anstellen?

Mit Änderungen im Gesetz über das elektronische Patientendossier will der Bundesrat erreichen, dass nicht nur stationäre Spital- und Pflegebetriebe mit dem elektronischen Dossier arbeiten, sondern auch ambulant tätige Gesundheitsfachleute wie Ärztinnen, Apotheker, Physiotherapeutinnen und Chiropraktoren. «In Zukunft soll das EPD entlang der gesamten Behandlungskette verbindlich eingesetzt werden», schreibt die Landesregierung. Auch plant sie, dass künftig alle Grundversicherten gratis ein elektronisches Dossier erhalten, wenn sie eines wollen. Wer kein Dossier will, kann Widerspruch gegen die Eröffnung des EPD einlegen. Diese Lösung heisst «Opting-Out». Für den Zugang zum EPD soll die staatliche E-ID genutzt werden. Diese grosse Gesetzesrevision schickte der Bundesrat im Sommer 2023 in die Vernehmlassung.

Wie waren die Reaktionen?

Die Auswertung der Stellungnahmen habe ergeben, dass die Revision auf breite Zustimmung stösst, schreibt der Bundesrat. Jedoch kritisiere eine Mehrheit der Kantone und Parteien die bestehende dezentrale Struktur und wünsche sich eine stärkere Zentralisierung. Die Eidgenössische Finanzkontrolle (EFK) stiess in die gleiche Kerbe. Die Zentralisierungswünsche gingen im Detail stark auseinander und reichten von einer Klärung der Zuständigkeiten bis hin zu einem kompletten Neustart oder einer Verstaatlichung.

Was schlägt der Bundesrat neu vor?

Künftig sollen die acht Stammgemeinschaften nicht mehr auf eine eigene technische Infrastruktur zurückgreifen. Der Bund soll eine einheitliche Plattform zur Verfügung stellen. Welches System zum Zug kommt, soll eine Ausschreibung klären. Die Betriebskosten für den Gebrauch der technischen Plattform sollen den Stammgemeinschaften als Nutzungsgebühren weiterverrechnet werden.

Wie begründet der Bundesrat den neuen Vorschlag?

Mit der technischen Zentralisierung werde die Aufgabenteilung zwischen dem Bund, den Kantonen und den EPD-Akteuren klarer definiert, schreibt der Bundesrat. Zudem sei er überzeugt, dass dadurch der nahtlose Austausch von Daten zwischen den Akteuren besser funktioniert. Die Weiterentwicklung des EPD werde damit einfacher und schneller. Mittel- bis langfristig dürfte eine Zentralisierung laut dem Bundesrat auch finanziell vorteilhaft sein.

Wie geht es nun weiter? 

Der Bundesrat hat das Innendepartement EDI beauftragt, die Zentralisierung der technischen Infrastruktur in die grosse EPD-Reform aufzunehmen. Die Botschaft soll im Frühjahr 2025 dem Parlament vorgelegt werden. Bis zum Inkrafttreten der Reform wird es wohl noch einige Jahre dauern.

Was passiert in der Zwischenzeit?

Im Frühjahr 2024 hat das Parlament eine Übergangsfinanzierung zur Verbreitung und Förderung des EPD verabschiedet. Sie tritt am 1. Oktober 2024 in Kraft. Der Bund kann damit EPD-Anbieter finanziell unterstützen, bis die Massnahmen der umfassenden Revision beschlossen und umgesetzt sind.

(sda/red.)

veröffentlicht: 27. September 2024 14:50
aktualisiert: 27. September 2024 14:50
Quelle: ArgoviaToday

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