Der Regen im Juni hat Winzer Hoss Hauksson fast die ganze Weinernte gekostet. «Wir verzeichnen 80 Prozent Ausfälle», sagt der Isländer, der in Reinach ein Bio-Weingut betreibt. Das feuchte Klima im Frühling und Frühsommer begünstigte den Falschen Mehltau. Der Pilz befiel Blüten und Früchte. Viele Trauben starben noch an den Reben ab. Ein Lichtblick sei allerdings, dass der wenige Wein, den er im Keller hat, qualitativ hervorragend ist.
Der riesige Ernteausfall hat für Hauksson dennoch finanzielle Konsequenzen. «Es ist definitiv einschneidend», so das nüchterne Urteil. Existenzbedrohend sei die Situation zwar nicht, «weil wir aber auch in vergangenen Jahren Ernteausfälle hatten, müssen wir nun möglicherweise die Anbaufläche reduzieren.» Er betont aber: Er werde auf jeden Fall weitermachen, allenfalls einfach mit weniger Reben. Wie es genau weitergeht, könne er aber erst in ein paar Monaten sagen.
Quelle: ArgoviaToday / Selina Urech / Archivbeitrag vom 20. Juni 2024
Nauer verzeichnet «eines der schwierigsten Jahre»
Auch im Freiamt ist das Weinjahr 2024 eines, das in die Geschichtsbücher eingeht. Zum Leidwesen von Patrik Nauer, aber im negativen Sinne. «Es war eines der schwierigsten Weinjahre der vergangenen 20 Jahre», sagt der Geschäftsleiter von Nauer Weine in Bremgarten. «Zuerst der nasse Frühling, dann ein warmer Sommer und nun ein durchzogener Herbst. Einfach ein schwieriges Jahr.»
Im Frühling hat es so häufig geregnet, dass seine Mitarbeitenden gar nicht mehr wussten, wann sie Pflanzenschutzmittel auf die Reben auftragen konnten. «Den richtigen Zeitpunkt zu finden, war extrem schwierig. Kaum gespritzt, wusch der Regen das Schutzmittel gleich wieder ab.» Zudem war der Boden zwischen den Rebstöcken mit der Zeit derart aufgeweicht vom Regen, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter mit den Maschinen zum Bespritzen kaum mehr durchfahren konnten.
In der Endabrechnung verzeichnet Nauer mehr als 40 Prozent Ernteausfälle im Vergleich zum Vorjahr. «Das ist natürlich sehr viel», so der Winzer. «Einschränkend muss man aber sagen, dass letztes Jahr eines der besten Erntejahre war.» Im langjährigen Vergleich betrügen die Ausfälle mit rund 30 Prozent zwar etwas weniger, seien aber immer noch weit über dem Durchschnitt.
Ähnlich wie bei Winzer Hauksson in Reinach ist aber auch im Freiamt die Weinqualität gut. Dies sei der Vorteil, wenn der Ernteertrag so gering sei, erklärt Nauer. «Die Reben steckten alle Energie in die wenigen Trauben, die nach dem Pilzbefall noch übrig waren. Das hilft der Qualität.» Es sei zwar kein Spitzenjahr, aber immerhin ein gutes Durchschnittsjahr, so das Fazit.
Gutes Jahr in Hornussen dank Drohnen und Pflanzenschutz
Ganz anders die Bilanz beim Weingut Fürst in Hornussen. Geschäftsleiter Daniel Fürst spricht von einem «hervorragenden Jahr». Gute Qualität und kaum Ernteverluste habe er zu verzeichnen. Das erstaunt. Was hat die Familie Fürst, die das Weingut betreibt, anders gemacht? «Wir haben es geschafft, die Reben während der starken Niederschläge im Mai und Juni über die Runden zu bringen», sagt Daniel Fürst. Dies liegt einerseits an der langjährigen Erfahrung und am unermüdlichen Einsatz seines Teams. «Es gibt keine Kompromisse, man muss alles geben, auch wenn man mal an einem Sonntag die Reben spritzen muss. Was dieses Jahr natürlich häufig vorkam.» Der riesige Aufwand im Frühling sei belastend gewesen, habe sich nun im Herbst aber ausgezahlt.
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Andererseits müsse man auch als Winzer auf moderne Technologie zurückgreifen, ist Fürst überzeugt. «Beispielsweise applizieren wir Pflanzenschutzmittel teilweise mit Drohnen», dies habe den Vorteil, dass man fast jederzeit über die Reben fliegen kann. «Da spielt die Bodenbeschaffenheit keine Rolle, wie bei Maschinen, die zwischen den Reben fahren müssen.»
Unter dem Strich hat Fürst weniger als fünf Prozent seiner Lese an den falschen Mehltau verloren. Bei den robusteren Sorten, die auf dem Weingut etwa 20 Prozent der Reben ausmachen, gab es gar keine Verluste. Genauso bei weissen Sorten, etwa beim Riesling. Und: die Qualität sei gut. Insbesondere für den Pinot Noir seien die Verhältnisse dieses Jahr nahezu perfekt gewesen, weil die Reifezeit insgesamt länger war, als in heissen Jahren. Zusätzlich gab es kühlere Reifetage im Herbst. «Das macht den Wein fruchtiger, führt aber gleichzeitig zu weniger Zuckerbildung und zu weniger Alkohol. Das alles fördert die Qualität des Pinot.»
Viel hat mit Glück zu tun
Die offiziellen Zahlen zur Weinlese im Kanton werden in gut zwei Wochen herausgegeben. Stand jetzt gehen die Experten davon aus, dass der Ernteverlust im Aargau bei rund einem Drittel liegen wird, wie Pascal Furer, Geschäftsführer des Branchenverbands Aargauer Wein, gegenüber ArgoviaToday sagt.
Dass die Weinlesen in den Regionen unterschiedlich ausfallen, sei nichts Aussergewöhnliches. «Das Wetter ist lokal eben unterschiedlich. Ein Gewitter mit Hagel kann in einer Region einem Weingut stark zusetzen, während es an einem anderen vorbeizieht, ohne Schäden anzurichten.» Auch Frost könne sehr lokal auftreten. Ausserdem habe insbesondere die Arbeit mit Pflanzenschutzmittel viel mit Glück zu tun, sagt Furer: «Ob man den richtigen Moment zwischen zwei Regenfronten erwischt, kann man ja nicht beeinflussen und eben auch nicht immer genau voraussehen.»