Das Hochwasser im Mai 1999 kam nicht gänzlich unerwartet. Nach dem Lawinenwinter im Februar mit unglaublichen Schneemassen in den Bergen war das Risiko erhöht. Trotzdem rechnete eigentlich niemand mit einem solchen Ereignis. Denn seit rund 100 Jahren, im ganzen 20. Jahrhundert, war die Schweiz weitgehend von grossflächigen Hochwasserereignissen verschont geblieben.
Die Wetterlage im Frühling 1999 war tückisch. Im April blieb es kühl. Die Schneemassen des Winters waren Anfang Mai also noch zu grossen Teilen nicht geschmolzen. Als es dann über Auffahrt und Pfingsten zweimal ausgiebig regnete, und das bis in grosse Höhen, kam das ganze Schmelzwasser auf einmal von den Bergen hinunter.
Thuner- und Brienzersee platschvoll
Obwohl das Wehr in Thun früh geöffnet und so viel Wasser wie möglich die Aare hinuntergelassen wurde, kamen der Thuner- und Brienzersee rasch an ihre Kapazitätsgrenzen und traten über die Ufer. Vor allem im Thuner Gwatt-Quartier und in der Innenstadt stand das Wasser in den Strassen und in den Häusern. Das linke Ufer des Thunersees lag 400 Meter weiter landeinwärts.
Weiter flussabwärts führten die Wassermassen in der Aare dazu, dass die Gürbe beim Zusammenfluss zurückgestaut wurde. Die Folge war ein riesiger See im Belpmoos.
Katastrophal waren die Auswirkungen im Berner Matte-Quartier. Im Schwellenmätteli verstopfte Schwemmholz den Abfluss, dazu kamen zweitweise über 600 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Das war ein Drittel mehr als der bisherige Rekord-Abfluss. Das Berner Matte-Quartier wurde zu Klein-Venedig – das Wasser in den Häusern stand meterhoch.
Auch das übrige Schweizer-Mittelland war betroffen, etwa der Zürich- und der Bodensee. Die Auffahrts- und Pfingsthochwasser verursachten 1999 Schäden in Höhe von 580 Millionen Franken.
Aus dem Hochwasser gelernt
Das Mai-Hochwasser vor 25 Jahren hat Massnahmen angestossen, die bis heute zum Schutz der Bevölkerung beitragen. Dazu gehört der Aufbau von Warnung und Alarmierung bei Naturgefahren durch Bund und Kantone.
Ausserdem wurde in der Folge der verheerenden Hochwasser Verbesserungen bei der Seeregulierung sowie der Bau des Entlastungsstollens am Thunersee in Angriff genommen, wie die Eidgenössische Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) mitteilte. Die Forschungsanstalt betreute damals die vom Bund in Auftrag gegebene Analyse der Ereignisse im Jahr 1999.
Schneeschmelze und viel Regen
Als Grund für das Hochwasser 1999 identifizierten die WSL-Forschenden eine Kombination aus mehreren Begebenheiten: Wassergesättigte Böden, Schneeschmelze und starke Regenfälle. «Das hat gezeigt, dass wir kombinierte Ereignisse beachten müssen. Es hat uns aber vor allem bewusst gemacht, dass die Dämpfungsfunktion der Seen Grenzen hat», wird Christoph Hegg, Acting Director der WSL, in der Mitteilung zitiert.
Ausserdem sei das Ereignis eine grosse Motivation gewesen, die Schneewassermenge systematisch über die ganze Schweiz zu berechnen, hiess es von der WSL. Dies wird mittlerweile gemacht. Seit 2009 liefert das WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF regelmässige Vorhersagen dazu, wie viel Schmelzwasser zu erwarten ist.
«Verhindert hätten sie das Hochwasser wohl nicht, da die Wetterbedingungen trotzdem eingetroffen wären, aber man hätte vielleicht mehr Zeit gehabt, sich auf das Ereignis vorzubereiten», sagt der Leiter des schneehydrologischen Diensts, Tobias Jonas.
(mit Material der sda)
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