Schweiz

Basler Fasnachts-Comité will Rassismus eindämmen: Reicht ein Leitfaden, um Diskriminierung zu verhindern?

Diskriminierende Kostüme

Basler Fasnachts-Comité will Rassismus eindämmen – wie konsequent?

· Online seit 05.02.2024, 06:50 Uhr
Die Fasnacht steht vor der Tür und bald ist «Morgestraich». Diese Tradition markiert jedes Jahr den Startschuss für die Basler Fasnacht – sie ist Unesco-Welterbe. Für Rassismus und Diskriminierung soll es dort keinen Platz haben, findet das Fasnachts-Comité. Doch wie entschlossen wird diese Haltung umgesetzt?
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Grundlage für die Umsetzung ist ein Leitfaden, erklärt Daniel Hanimann, Mitglied des Fasnachts-Comités Basel gegenüber der Today-Redaktion. Dieser ist jedoch nicht wirklich neu. «Wir haben seit Jahren, fast Jahrzehnten die gleiche Haltung: Auch während der Fasnacht muss man sich an die Gesetze halten. Das haben wir im Hintergrund immer so vertreten. Nun haben wir das einfach transparent gemacht», erklärt Hanimann, der mit der Basler Fasnachtstradition aufgewachsen ist.

Rassismus hat an der Fasnacht keinen Platz

Knapp 500 Fasnachtseinheiten – sogenannte «Cliquen» – sind beim Basler Fasnachts-Comité gemeldet. Diese werden alle genau unter die Lupe genommen, versichert Hanimann: «Wir gehen davon aus, dass über 99 Prozent der Fasnächtlerinnen und Fasnächtler sich an die Spielregeln halten. Jede Einheit wird von uns einzeln angeschaut und bewertet, erhält intern Noten. Insofern haben wir einen guten Überblick. Es ist weniger als ein Prozent, die mal einen Inhalt haben, wo wir sagen müssen ‹das geht nicht›». Wer sich nicht an die «Spielregeln» hält, also etwa diskriminierende Sujets verwendet oder rassistische Kostüme zur Schau stellen will, erhält vom Fasnachts-Comité eine schlechtere Bewertung und somit auch weniger Subventionsgelder. Von wie viel Geld wir hier reden, verrät Hanimann nicht. «Unser Budget ist das zweitbeste gehütete Geheimnis der Welt – geheimer ist nur noch das Coca-Cola-Rezept.»

Hanimann ist sich sicher, dass das Prinzip funktioniert. «Wir sind überzeugt, dass wir unsere Praxis nicht ändern müssen.» Man wolle aber mehr Transparenz schaffen und offen darüber sprechen, was für die Sensibilisierung gewisser Themen getan werde. «Wir sind das jüngste Comité, das es bisher gab. Transparenz ist uns ein Anliegen.»

«Keine Zensurbehörde»

Eine Fasnacht, die für alle stimmt und frei von Rassismus und Diskriminierung ist – das sei auch der Wunsch der Fasnächtlerinnen und Fasnächtler, sagt Hanimann. «Ich glaube nicht, dass es primär für das Comité wichtig ist – sondern vor allem für die Fasnächtlerinnen und Fasnächtler.»

Doch wenn diese Haltung so wichtig ist, wieso gibt es dann noch Raum für Cliquen mit Namen wie «Guggemusig Mohrekopf 1954» oder «Negro-Rhygass»? Hapert es hier an der konsequenten Umsetzung? Hanimann erklärt: Wie bei der Organisation will das Comité auch bei der Wahl der Sujets oder lange bestehenden Namen nicht zu stark eingreifen. «Für uns ist es ganz wichtig: Das Fasnachts-Comité ist keine Zensurbehörde. Wir sind bestenfalls die Hüter der Narrenfreiheit. Wir können mit der Benotung einfach ein Zeichen setzen», so Hanimann. Und er ergänzt: «Mit der Veröffentlichung des Leitfadens haben wir jetzt mal einen ersten Schritt gemacht – allenfalls werden noch weitere folgen. Es ist ein laufender Prozess.»

Trotz langjähriger Tradition müsse sich die Fasnacht immer wieder neu erfinden. «Die Basler Fasnacht ist eine Sujet-Fasnacht. Die Cliquen setzen sich jedes Jahr auf Neue mit der Gesellschaft und ihrem Wandel auseinander. Und wenn man als Tradition überleben will, muss man mit dem Wandel mitgehen – sonst stirbt man aus.»

Die Sujets wählen die Cliquen normalerweise nach den Sommerferien. Die Schnitzelbänke, für die die Basler Fasnacht ebenfalls berühmt ist, werden oft noch in letzter Sekunde geändert oder auf Aktualitäten getextet. So ergebe es sich, dass die Sujets meist Themen der ersten Jahreshälfte und die Schnitzelbänke jene der zweiten Jahreshälfte aufgreifen würden, erläutert Hanimann.

Fachperson für Rassismusfragen spricht von «positiver Entwicklung»

Aber reicht es aus, präventiv einen Leitfaden zu veröffentlichen und ein wenig Geld zu streichen, wenn sich eine Clique rassistischen Motiven bedient? Giorgio Andreoli von der Beratungsstelle «Gemeinsam gegen Gewalt und Rassismus» findet: Solche Initiativen sind zu unterstützen. «Auf jeden Fall würde ich dies als sehr positive Entwicklung anschauen. Es muss ein Dialog stattfinden können, damit sich Sachen ändern.»

Luft nach oben gäbe es allerdings immer: «Ich denke, es wäre gut, wenn man die Gesprächsebene noch mehr fördern würde. Im Dialog ist es möglich, Haltungen zu erklären. Wenn man diskutiert, kann man auch Sachen erklären. Wichtig ist in solchen Auseinandersetzungen, dass man nicht rigide wird und es als gesellschaftlichen Prozess wahrnimmt. Es gibt Dinge, die früher völlig «normal» waren – heute aber aus anderen Perspektiven und Wissen nicht mehr okay sind.» Gemeint sind hier unter anderem gesetzeswidrige Aussagen und Handlungen. «Hier handelt es sich um massive Grenzübersetzungen», betont Andreoli.

Satire ja – Stereotypen nein

An der Basler Fasnacht, gerade in den Schnitzelbänken, aber auch bei den Sujets, bewegen sich die Cliquen manchmal auf dünnem Eis. Gibt es eine Grenze, wenn es um Humor geht? Ja, sagt Andreoli bestimmt. «Fasnacht darf Satire sein, auch kritisch – aber nicht anhand von Stereotypen, Pauschalisierungen und Diskriminierungen.»

Die Menschenrechte sind jederzeit zu wahren. «Es ist wichtig, dass sich Menschen nicht angegriffen oder beleidigt fühlen. Man sollte sich schon fragen, wieso man eine Person im Zusammenhang mit ihrer kulturellen Herkunft schikaniert und sich an Stereotypen bedient. Hier ist Sensibilität gefragt.»

Eine solche Sensibilität, Herz und Verstand seien aber im Dialog oft bereits spürbar. «Wir machen die Erfahrung, dass man in Gesprächen – wenn man einander zuhört – wirklich weiter kommt und versteht, wie es für die andere Person ist. Es gibt wenige Leute, die auf stur schalten und auf ihre ‹Meinungsfreiheit› beharren», so Andreoli über seine Erfahrungen. Verbote seinen zwar teilweise wirksam, aber nicht immer der richtige Weg. «Ich habe schon einen gewissen Anspruch an eine Demokratie und ihre Verantwortung. Eine Diskussion muss möglich sein.»

veröffentlicht: 5. Februar 2024 06:50
aktualisiert: 5. Februar 2024 06:50
Quelle: ArgoviaToday

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