FDP-Chef Thierry Burkart schlägt andere Töne an. Europa verschärfe den Kampf gegen illegale Migration, schrieb er unlängst auf X. «Das Departement Jans macht das Gegenteil: Willkommenskultur pur! Mit Anleitung für Asylgesuche, Velokurse für Jugendliche, Wandern und Begegnungen mit Lamas! Es braucht einen Politikwechsel!», kritisierte er Posts, die das Staatssekretariat für Migration (SEM) auf Instagram veröffentlicht hatte.
Die Bilder in Burkarts Post waren jedoch aus dem Kontext gerissen. Damit illustrierte das SEM Beschäftigungsprogramme von Asylsuchenden. Etwa jäteten diese in einem Dorf Unkraut. «Bei dieser Aktivität trafen sie zu ihrer Überraschung auf Lamas», lautet ein Beschrieb zu einem Foto, auf dem ein Asylsuchender beim Füttern der Tiere, korrekt handelt es sich um Alpakas, zu sehen ist.
SVP macht es vor
Der Tonfall im Post des FDP-Chefs erinnert an den rechtspopulistischen Stil einiger SVP-Exponenten. «Statt die massiven Probleme im Asylsystem endlich anzupacken, lebt Bundesrat Beat Jans lieber in Nemos Traumwelt», lautete etwa der Post von SVP-Nationalrat Thomas Aeschi, als er Anfang September dazu aufrief, die Grenzschutz-Initiative zu unterschreiben. Im Vorfeld der Eidgenössischen Wahlen 2023 startete die SVP zudem eine Kampagne, die laut der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus (EKR) die Realität verzerrte. Diese war mit Zeitungsschlagzeilen von kriminellen Ausländern illustriert und warnte: «neue Normalität?».
Zudem sorgt SVP-Nationalrat Andreas Glarner immer wieder mit hetzerischen Posts für Aufregung. Einen neuen Höhepunkt erreichte Glarner, als er Grünen-Nationalrätin Sibel Arslan mittels KI die Forderung in den Mund legte, alle kriminellen Türken ausschaffen zu wollen. Auch die FDP nutzte KI für ihre Wahlkampagne. Auf einem Plakat mit dem Slogan «Anpacken statt ankleben!» waren Klimaaktivisten zu sehen, die eine Ambulanz blockierten. Gegen den Vorwurf von «Fakenews» entgegnete die Partei, dass das Plakat den Einsatz von KI transparent mache.
«Kritik an aktueller Asylpolitik ist nicht einfach rechtspopulistisch»
Der neue Stil der FDP irritiert, wie Reaktionen auf X zeigen. Eine Nutzerin behauptet, die FDP kopiere den menschenfeindlichen Populismus der SVP. «Die einst stolze staatstragende Partei wird die liberalen Wähler verlieren. Was bleibt dann noch übrig: SVP 2.0?» Auch innerhalb der FDP gibt es kritische Stimmen. Hinter dem Kurs, zwischen echten und unechten Flüchtlingen zu unterscheiden, stehe man geschlossen, sagt etwa ein Mitglied aus dem Parlament. «Über die Kommunikation kann man aber diskutieren. Der SVP-Polterstil gefällt nicht allen.»
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Thierry Burkart sieht in seinem Post keine rechtspopulistischen Parallelen. «Kritik an der aktuellen Asylpolitik ist nicht einfach rechtspopulistisch», sagt der Aargauer zur Today-Redaktion. Der Notstand in den Gemeinden und Kantonen aufgrund der enormen illegalen Zuwanderung sei gross. Zudem müsse Kritik an der Kommunikation des SEM ja wohl erlaubt sein. «Wenn das SEM quasi Werbung macht, um in die Schweiz zu kommen, motiviert es viele, die keinen Anspruch auf Asyl haben, in die Schweiz zu kommen und unterstützt indirekt damit auch die kriminellen Schlepperbanden.»
«Freisinnige rümpfen nicht mehr die Nase»
Im Herbst 2023 erlebte die FDP mit einem Wähleranteil von nur noch 14,2 Prozent eine historische Niederlage. «Die FDP steht unter Druck und hat die Mitte im Nacken», sagt Michael Hermann, Politologe und Leiter des Forschungsinstituts Sotomo. Mit dem svp-nahen Tonfall wolle Burkart gegen die Mitte punkten. Früher sei die FDP bei Asylfragen zumindest in der Kommunikation zurückhaltend gewesen. «Heute sind populistische Äusserungen durch die sozialen Medien mehr Mainstream und salonfähiger geworden.» Mittlerweile rümpften Freisinnige auch nicht mehr die Nase, wenn sie mit der SVP verglichen würden.
Hermann schätzt Burkart als «sehr erfolgsorientiert» ein, weshalb er den populistischen Stil als Chancen nutzen wolle. Erfolg sei mit dem volksnahen Stil aber nicht garantiert. «Burkart fehlt die ‹gmögige› Seite.»