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Dürfen Kinder bei der Corona-Impfung selber entscheiden?

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Dürfen Kinder bei der Corona-Impfung selber entscheiden?

· Online seit 16.12.2021, 07:18 Uhr
Ab Januar sollen sich in der Schweiz auch Fünf- bis Elfjährige impfen lassen können. Da diese aber noch nicht volljährig sind, entscheiden meistens die Eltern, ob eine Impfung infrage kommt oder nicht. Dies kann jedoch zu familiären Konflikten führen. Doch wer darf eigentlich entscheiden?
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Gerade wenn die Eltern selber gegen eine Corona-Impfung sind, das Kind diese aber will, ist die Situation schwierig. Denn: Im Rechtssystem der Schweiz gibt es einen Unterschied zwischen der Volljährigkeit und der Urteilsfähigkeit.

Urteilsfähig, aber nicht volljährig

Die Volljährigkeit (auch Mündigkeit genannt) erreicht man im Normalfall mit 18 Jahren. Ab dann gilt man vor dem Gesetz als erwachsen und hat damit auch entsprechende Rechte und Pflichten. Man darf zum Beispiel einen Vertrag unterzeichnen, wird aber auch nach dem Erwachsenenstrafrecht verurteilt, sollte man eine Straftat begehen.

Die Urteilsfähigkeit ist rechtlich schwieriger zu greifen. Sie dient als eine Art rechtliche Zwischenstufe, bei der unmündigen Personen eine milde Form rechtlicher Selbstständigkeit und Selbstbestimmung zugetraut wird. Das Gesetz definiert die Urteilsfähigkeit so:

Dies bedeutet, dass die Urteilsfähigkeit nicht zwingend vom Alter abhängt. Kinder oder Jugendliche können bereits mit zehn, aber auch erst mit vierzehn Jahren urteilsfähig sein. Menschen mit einer kognitiven Einschränkung sind es teilweise auch trotz Volljährigkeit nicht. Im medizinischen Bereich wird davon ausgegangen, dass sich die Urteilsfähigkeit zwischen dem zehnten und dem vierzehnten Lebensjahr entwickelt.

Was heisst das nun für die Impfung?

Geht man nach dem Prinzip der Urteilsfähigkeit, dann ist ein Kind frühestens ab dem zehnten Lebensjahr wirklich in der Lage, zu entscheiden, ob es eine Impfung möchte oder nicht und sich dabei der Konsequenzen bewusst zu sein. Die Urteilsfähigkeit wird grundsätzlich von einer aussenstehenden Fachperson beurteilt. Die Hürde, als minderjährige Person sich über den Kopf der Eltern hinweg für oder gegen die Impfung zu entscheiden, ist also je nach Alter recht gross.

Laut Artikel 3 der UN-Kinderrechtskonvention gilt der Grundsatz, dass Eltern oder andere Erziehungsberechtigte dafür zuständig sind, im Sinne des übergeordneten Kinderinteresses zu handeln. Kinder und Jugendliche müssen dabei jedoch bei der Entscheidung mit einbezogen werden. Konkret sieht das sogenannte «Recht auf Beteiligung» vor, dass dabei ihre Meinung, ihre Ideen, ihre Wünsche, aber auch ihre Ängste und Unsicherheiten berücksichtigt werden.

Wer entscheidet im Zweifelsfall?

Theoretisch dürfen also die Eltern entscheiden, ob ein minderjähriges Kind geimpft werden soll oder nicht. In der Praxis und nach der UN-Kinderrechtskonvention – zu deren Einhaltung sich auch die Schweiz verpflichtet hat – müssen die Eltern das Kind aber bei der Entscheidungsfindung mit einbeziehen und seine Meinung respektieren. Ist ein Kind bereits urteilsfähig, kann es sich aber je nach Fall auch über den Kopf der Eltern hinweg für eine Impfung entscheiden, wie die «NZZ am Sonntag» berichtete. Dies betrifft vor allem Jugendliche zwischen vierzehn und sechzehn Jahren.

Im Zweifelsfall – also wenn sich Kinder und Eltern nicht einig werden – kann die Urteilsfähigkeit von einer aussenstehenden Fachperson überprüft und das Familiengericht mit einbezogen werden.

So läuft es im Aargau

Jugendliche, die älter als zwölf Jahre alt sind, können sich im Aargau grundsätzlich in allen Impfzentren impfen lassen. Ihnen wird von der Eidgenössischen Kommission für Impffragen (Ekif) allerdings der Pfizer/Biontech empfohlen, den es aus logistischen Gründen nicht in allen Impfzentren gibt.

Wie das Departement für Gesundheit und Soziales (DGS) auf Anfrage von ArgoviaToday bestätigt, können sich Kinder ab zwölf Jahren im Aargau auch ohne Einverständniserklärung der Eltern impfen lassen, sofern sie urteilsfähig sind. Die Urteilsfähigkeit wird vor Ort von Fachpersonen eingeschätzt. Bei Kindern über zwölf Jahren findet vor Ort ein Aufklärungsgespräch statt, wenn sie unbegleitet erscheinen. Dass ein Kind oder ein Jugendlicher ohne seine Eltern zum Impftermin kommt, sei aber eine Ausnahme, so das DGS. Kinder unter zwölf Jahren, die sich voraussichtlich ab Januar impfen lassen können, benötigen das Einverständnis der Eltern oder Erziehungsberechtigten und sollten nur begleitet zur Impfung erscheinen.

veröffentlicht: 16. Dezember 2021 07:18
aktualisiert: 16. Dezember 2021 07:18
Quelle: ArgoviaToday

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