Die Menstruation ist – da werden sich die meisten Frauen wohl einig sein – nicht gerade angenehm. Bauchkrämpfe, Stimmungsschwankungen oder Schwindel sind für viele Frauen während der Regelblutung Alltag. Abgesehen von den körperlichen Beschwerden hat die Mens aber noch einen anderen Knackpunkt: Sie geht gewaltig ins Geld. Für Frauen, die unter oder knapp über dem Existenzminimum leben, kann das ein finanzielles Problem darstellen. Recherchen vom «Beobachter» zeigen, dass eine Frau in ihrem Leben mindestens 3000 Franken für Binden und Tampons ausgibt. Bei vielen kommen noch Kosten für Schmerzmittel, therapeutische Massnahmen und Arztbesuche hinzu. Das summiert sich in einem Frauenleben auf 23'500 Franken, wie eine Umfrage der britischen «Huffington Post» zeigt.
Schottland: Weltweiter Vorreiter
Die Sozialhilfe budgetiert 53 Franken monatlich für Pflegeprodukte. Davon müssen Coiffeurbesuche, alle Hygieneartikel wie Shampoo, Duschgel oder Medikamente und eben auch Tampons und Binden bezahlt werden. «Haushalte mit mehreren Frauen müssen einen happigen Teil des monatlichen Betrages für Damenhygieneartikel ausgeben», sagt Aline Masé, Leiterin Fachstelle Sozialpolitik der Caritas gegenüber dem «Tagesanzeiger». «Günstigere Hygieneartikel wären für diese Haushalte eine grosse Entlastung.»
In Schottland hat man das Problem der sogenannten Periodenarmut erkannt. Als weltweit erstes Land wurde deshalb 2018 ein Gesetz verabschiedet, das Schulen und Universitäten dazu verpflichtet, kostenlos Tampons und Binden zur Verfügung zu stellen. Letztes Jahr ist das schottische Parlament noch einen Schritt weitergegangen und hat beschlossen, sie künftig allen Frauen im Land gratis anzubieten. In Neuseeland und Frankreich gibt es ähnliche Regelungen.
Tampons höher besteuert als Kaviar und Viagra
Auch in der Schweiz sind Gratis-Menstruationsartikel sowohl auf nationaler als auch auf kantonaler Ebene immer wieder ein politisches Thema. Insbesondere die Mehrwertsteuer sorgt in regelmässigen Abständen für Diskussionen, denn: Tampons und Binden werden hierzulande als «Luxusgüter» eingestuft und deshalb mit dem vollen Satz von 7,7 Prozent besteuert. Andere Produkte wie etwa Kaviar oder Viagra zählen zu «Gütern des täglichen Bedarfs». Für sie gilt ein reduzierter Mehrwertsteuersatz von 2,5 Prozent.
Seit der Kanton Waadt vor einiger Zeit bekanntgegeben hat, in den kommenden Wochen zahlreiche Schulen im Zuge eines Pilotprojektes mit kostenlosen Tampon- und Bindenspendern auszustatten, ist die Tampon-Debatte wieder mehr in den Fokus geraten. Die Waadt folgt damit dem Kanton Jura, während die Kantone Luzern, Bern und Wallis derartige Vorstösse bereits abgelehnt hatten.
Braucht der Aargau kostenlose Binden und Tampons?
Der Kanton Aargau bestätigt auf Anfrage von ArgoviaToday, dass kantonal keine derartigen Vorstösse vorlägen. Anders auf kommunaler Ebene: Im März dieses Jahres ging in Wettingen eine Motion mit der Forderung ein, alle öffentlichen Gebäude in der Gemeinde mit kostenlosen Menstruationsartikeln auszustatten. Lanciert wurde dieser Vorstoss von SP-Jungpolitikerin Mia Gujer und von Andreas Leuppi von den Grünen. Es sei unfair, dass menstruierende Menschen die Kosten für Menstruationsartikel heute alleine tragen müssten, heisst es im Antrag. Denn Frauen hätten diese natürliche Körperfunktion nicht freiwillig gewählt, sondern sie wurde ihnen angeboren. Die Kosten einseitig nur den menstruierenden Menschen zu überlassen, widerspreche der Gleichstellung. Tampons und Binden in öffentlichen Gebäuden gratis zur Verfügung zu stellen, sei ein Schritt, um diese Ungleichheit zu vermindern. «Kostenlose Menstruationsartikel in öffentlichen Gebäuden würden auch Obdachlosen oder Menschen mit geringem Einkommen schützen. Oft müssen diese auf improvisierte und unhygienische Notlösungen wie WC-Papier zurückgreifen und setzen sich damit dem Risiko von Infektionen aus», fügt Gujer als weiteren Punkt an.
Auch Vera Becker von den jungen Grünen findet, es sei höchste Zeit, Tampons und Binden in Aargauer Schulen kostenlos abzugeben. Abgesehen vom finanziellen Aspekt, so Becker, würden gratis Hygieneartikel in Schulen auch dazu beitragen, die Menstruation zu enttabuisieren. Becker erinnert sich an ihre eigene Schulzeit zurück: «Wer seine Tage hatte, hat den Tampon immer möglichst schnell und unauffällig aus der Tasche geholt. Hauptsache niemand hat etwas mitbekommen.» Einen Grund, dass die Periode im 21. Jahrhundert noch immer ein Tabuthema ist, sieht Becker in unserer «patriarchalen Gesellschaftsstruktur»: «Ich kenne keine Frau, die sich vor ihrem eigenen Blut ekelt. Gleichzeitig machen Männer Schlagzeilen, die uns Frauen mit Pinky Gloves vor unserer Periode schützen wollen.» Zur Erklärung: Im April haben zwei Männer pinke Einweg-Handschuhe «erfunden», mit denen Menstruierende Damenhygieneartikel «hygienisch» und «diskret» entsorgen können, wenn sie unterwegs sind.
SVP-Grossrätin Désirée Stutz aus Möhlin ist entschieden anderer Meinung. Sie glaubt weder, dass die Periode ein Tabuthema sei, noch dass Tampons und Binden eine finanzielle Belastung darstellen können. Stutz findet sogar, dass die kostenlose Abgabe von Hygieneartikeln an Frauen unfair gegenüber den Männern wäre: «Männer haben auch Ausgaben, einfach andere. Kondome zum Beispiel oder Rasierklingen sind auch nicht günstig.» Ausserdem seien Hygieneartikel im Grundbetrag der Sozialleistung mit einberechnet.
Sibylle Ming, Fachfrau für sexuelle Gesundheit im Kanton Aargau, sieht noch einen weiteren Vorteil bei der Gratis-Abgabe von Hygieneartikeln: «Die Mens würde sichtbarer werden und die SchülerInnen könnten eher einen natürlichen Umgang mit ihrer Regelblutung lernen. Offen nach einem Tampon zu fragen, oder über die eigene Periode zu sprechen, fällt doch noch sehr vielen Mädchen schwer.»