Schweiz

Vulkan-Ausbruch im Wallis? Das steckt hinter der schrägen Warnung von Alertswiss

Fail

Alertswiss-App warnt vor Vulkan-Ausbruch im Wallis – das steckt dahinter

· Online seit 04.07.2024, 14:26 Uhr
Bei Naturkatastrophen informieren die Behörden die betroffene Bevölkerung per Alertswiss-App. Dumm nur, wenn die integrierte Google-Übersetzung ihrerseits eine Katastrophe ist.
Daniel Schurter / watson
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Die Alertswiss-App kann Leben retten. Etwa dann, wenn die Bevölkerung in einem von einer Naturkatastrophe betroffenen Gebiet rechtzeitig gewarnt wird.

Gestern Mittwoch war es erneut so weit. Da sollte die Walliser Bevölkerung auf eine Geröll- und Schlammlawine, Murgang genannt, hingewiesen werden.

Auf den Smartphones der Alertswiss-User tauchte jedoch eine ziemlich schräge Mitteilung auf, wie ein bei X (Twitter) veröffentlichter Screenshot belegt:

Abgesehen von diesem Alertswiss-Fail müssen wir auch über ein neues Warn-System für die Schweizer Bevölkerung reden, das gar keine App erfordert.

Was lief schief?

Der User, der den Fail publik machte, kommentierte: «Ich hoffe wirklich, es ist im Wallis gerade kein Vulkan ausgebrochen. Aber allenfalls sollte man eine 4-Augen-Kontrolle einführen, bevor man auf der nationalen Warn-App die Bevölkerung vor sintflutartiger Lava warnt.»

Tatsächlich handelt es sich um einen KI-Übersetzungsfehler. Wobei KI in diesem Zusammenhang eine Machine-Learning-Anwendung von Google meint.

In der entsprechenden Alertswiss-Mitteilung prangt zuunterst der Hinweis, dass es sich um eine automatisierte Übersetzung aus dem Französischen handle. «Teile der Meldung wurden von Google Translate übersetzt».

Gleich darunter lässt sich der Link «Original ansehen» auswählen – und schon wird das Rätsel gelöst. Im Original auf Französisch steht «Lave Torrentielle».

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Was lernen wir daraus?

Ein anderer X-User kommentiert ironisch: «Okay, davor haben sie uns nicht gewarnt, als sie vom Klimawandel sprachen».

Die an sich lustige Falschmeldung hat einen ernsten Hintergrund: Gerade erst haben Murgänge in der Südschweiz verheerende Zerstörungen angerichtet und im Tessin mehrere Menschenleben gefordert.

Auf der WSL-Website wird erklärt: «Es geschieht meist bei starken Unwettern: Eine breiartige Mischung aus Wasser, Feinmaterial und Gesteinsbrocken ergiesst sich schubweise und oft in hohem Tempo in Dörfer, auf Strassen und Bahnlinien. Solche Murgänge, im Volksmund auch ‹Rüfe›, Geröll- oder Schlammlawine genannt, sind eine gefürchtete Variante sogenannter Geschiebetransportprozesse.»

Wo gibt's die Alertswiss-App?

Trotz des Übersetzungs-Fehlers wird allen Menschen hierzulande (mit Smartphone) empfohlen, die Warn-App des Bundes und der Kantone zu installieren. Laut «Blick» wird sie bislang von 2,2 Millionen Personen genutzt – das sei nur rund ein Viertel der heute knapp 9 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz.

Die kostenlose Smartphone-App gibt's in den App-Stores von Apple und Google. Die entsprechenden Links finden sich hier auf der Alertswiss-Website.

Die an die Smartphones verschickten Warnmeldungen sind natürlich auch auf alert.swiss zu finden.

Geht's auch ohne App?

Die verheerenden Unwetterereignisse der letzten Wochen haben erneut eine Debatte über öffentliche Warnsysteme ausgelöst, wie die «Tamedia-Zeitungen» am Montag berichtete.

Anders als viele EU-Länder warne die Schweiz die Bevölkerung nicht mit Alarmmeldungen, die (ohne App) direkt auf dem Handy angezeigt werden. Die entsprechende Mobilfunk-Technologie wird «Cell Broadcast» genannt und soll eine schnellere und zuverlässigere Alarmierung bei Katastrophen ermöglichen. «Cell Broadcast funktioniert ähnlich wie Radioübertragungen, nur mit Text statt Ton. Eine Textnachricht wird von einem Mobilfunkmast aus an alle Mobiltelefone gesendet, die sich in seiner Reichweite befinden.»

Dass dies tatsächlich ausreicht, stellen inzwischen so ziemlich alle Politikerinnen und Politiker in Bundesbern infrage. Ein bereits 2021 eingereichter parlamentarischer Vorstoss der FDP-Nationalrätin Maja Riniker wurde im Juni letzten Jahres auch vom Ständerat unterstützt. Dieser Vorstoss verlangt vom Bund, die Cell-Broadcast-Technologie «möglichst rasch» einzuführen.

Beim Bund wurde es allerdings verpasst, die vielversprechende Technologie schnell einzuführen. Begründet wurde das Zögern unter anderem mit den Kosten.

Das zuständige Bundesamt für Bevölkerungsschutz (BABS) erklärte zudem laut Bericht, Länder, die Cell Broadcast eingeführt hätten oder bald einführten, hätten dafür einen «dringlicheren Bedarf». Die Schweiz habe mit ihrem flächendeckenden Sirenennetz eine «hochverfügbare Grundinfrastruktur zur Alarmierung». Dazu komme die Alertswiss-App.

Tragischerweise – angesichts der jüngsten Opfer – lässt die Einführung weiter auf sich warten. Noch immer arbeitet das BABS laut eigenen Angaben an einer «Strategie für die Weiterentwicklung der Information, Warnung und Alarmierung der Bevölkerung». Bis zur Einführung seien Anpassungen bei den Mobilfunkbetreibern (Providern) nötig und es brauche Gesetzesänderungen.

«Der Bundesrat soll schon demnächst, nämlich ‹voraussichtlich im Sommer 2024› einen Beschluss fassen, wie es mit der Cell-Broadcast-Technik in der Schweiz weitergeht.»

Immerhin zeigt man sich nun auch beim BABS einsichtig: Cell Broadcast stelle eine weitere Verbesserung der Warnung und Alarmierung der Bevölkerung dar.

Die Einführung des neuen Warn-Systems koste voraussichtlich 12 Millionen Franken, hinzu kämen jährliche Betriebskosten von rund 5,5 Millionen Franken.

veröffentlicht: 4. Juli 2024 14:26
aktualisiert: 4. Juli 2024 14:26
Quelle: watson

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