Dass die Saison nach dem Meeting am kommenden Dienstag in Bellinzona für ihn zu Ende geht, löst bei Joseph gemischte Gefühle aus. Einerseits ist der 22-jährige Basler nach einem strengen Jahr froh darüber, anderseits befindet er sich aktuell in Topform. Denn seit dem enttäuschenden Ausscheiden im Halbfinal an den Olympischen Spielen in Tokio läuft es ihm. Im ersten Rennen danach verbesserte er in La Chaux-de-Fonds den eigenen Schweizer gleich um 17 Hundertstel auf 13,12 Sekunden. Und an der Athletissima in Lausanne vor zwei Wochen gelang ihm mit 13,11 Sekunden die Bestätigung, daran ändert nichts, dass der Rückenwind mit 2,9 m/s zu stark war.
Lange Zeit war Joseph in diesem Jahr nicht wie gewünscht auf Touren gekommen, obwohl er die Möglichkeit erhielt, in Florida in der Gruppe von Star-Trainer Rana Reider zu trainieren, zusammen mit dem Jamaikaner Omar McLeod, dem Olympiasieger von 2016 über 110 m Hürden. Er fühlte sich danach so fit wie noch nie, es gelang ihm jedoch nicht, die erzielten Fortschritte auf die Bahn zu bringen. Nach Tokio reiste er mit einer Saisonbestzeit von 13,62 Sekunden. Er begann an sich zu zweifeln, denn es gab keine Gründe für die schwachen Leistungen. «Es war eine schwierige Zeit», blickt Joseph zurück.
In Japan folgte nach einem soliden Vorlauf (13,31) die nächste Enttäuschung. Das Ausscheiden im Halbfinal (13,46) brach ihm das Herz, motivierte ihn aber umso mehr. Nun erhielt Joseph die Bestätigung, dass er auf dem richtigen Weg ist. Sein Ziel bei Weltklasse Zürich ist ein sauberer Lauf, eine gute Zeit soll die Folge davon sein. «Es hat mir mega geholfen, mich nicht mehr auf die Zeit zu fixieren, sondern den Fokus auf einen perfekten Lauf zu legen», sagt Joseph. Er ist überzeugt, eine Zeit von unter 13,10 Sekunden in den Beinen zu haben, «dafür muss jedoch alles stimmen.»
Im Letzigrund duelliert er sich unter anderen mit Olympiasieger Hansle Parchment und dem Olympia-Dritten Ronald Levy. Gegen solche Kontrahenten anzutreten, ist für ihn zwar immer noch speziell, seine Einstellung hat sich aber geändert seit der Rückkehr aus Tokio. Er denkt nicht mehr: «Oh mein Gott, die sind so schnell. Ich weiss nun, dass ich mit einem sauberen Lauf vorne dabei bin. Der Tank ist noch zu 100 Prozent gefüllt, weil es nun wieder läuft. Es ist alles möglich.»