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Israel beginnt Bodenoffensive – das Wichtigste in 5 Punkten

Krieg im Nahost

Der israelische Einmarsch im Libanon – das Wichtigste in 5 Punkten

· Online seit 01.10.2024, 11:23 Uhr
Nach tagelangen Gerüchten um eine Bodenoffensive macht die israelische Armee ernst: Am späten Montagabend und in der Nacht haben Soldaten die Grenze zum Libanon überquert. Was wir über den Einmarsch wissen.
Nico Conzett / watson
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Das ist passiert

Israel ist am späten Montagabend und in der Nacht auf Dienstag mit Bodentruppen auf libanesisches Gebiet vorgedrungen. Das gab die Armee auf X bekannt. Damit erreicht der Konflikt die seit Tagen befürchtete nächste Eskalationsstufe. Zahlreiche internationale Vertreter, die UN beispielsweise, hatten noch unmittelbar vor dem Bekanntwerden der Bodenoffensive ausdrücklich davor gewarnt.

Das sagt Israel

Laut den israelischen Streitkräften (IDF) dient der Grenzübertritt dazu, «limitierte, lokale und bewusst ins Visier genommene Säuberungen gegen Hisbollah-Terroristen und ihre Infrastruktur im Südlibanon» durchzuführen. Grundlage für die Operationen seien «präzise Geheimdienstinformationen», schreiben die IDF auf X.

Genauere Beschreibungen der Aktionen auf fremdem Staatsgebiet gibt es seitens Israel nicht. Allerdings versicherten israelische Regierungsvertreter im Anschluss, dass es «keine langfristige Besetzung» des Libanon geben werde. Es handle sich um einen Anti-Terror-Einsatz, um «unmittelbare Bedrohungen» in Grenznähe zu eliminieren. Die Eroberung von Land sei kein Ziel der Operation.

Einen Zeithorizont für die Operationen nannten die Regierungsvertreter aber nicht, genauso wenig wie sie Angaben zur geplanten Tiefe des Vordringens in den Libanon machten.

Offizielles Ziel Israels ist weiterhin die Dezimierung der Hisbollah und ihrer Infrastruktur im grenznahen Gebiet, sodass 60'000 Israeli im Norden des Landes, die wegen der Bedrohung durch Raketen der Hisbollah ihre Häuser verlassen mussten, dorthin zurückkehren können.

So reagiert der Libanon

Vor Beginn der israelischen Bodenoffensive hatte die reguläre libanesische Armee Soldaten von der Grenze weggeschickt. Einige Soldaten seien von der sogenannten Blauen Linie abgezogen worden, wie die DPA unter Berufung auf libanesische Militärkreise berichtete.

Der Libanon ist hoch verschuldet, auch die Streitkräfte sind deshalb unterfinanziert und insgesamt schwach. Es fehlt an Ressourcen, die Ausrüstung ist veraltet, selbst die Lebensmittel sind teilweise knapp. Einigen Beobachtern zufolge existiert die Armee derzeit nur dank der Militärhilfen der USA, die seit 2006 mehr als drei Milliarden US-Dollar umfassten.

Die Hisbollah reagierte indes mit weiteren Raketenangriffen auf den Norden Israels. Über Kämpfe am Boden im Grenzgebiet sind bisher keine Details bekannt. Die Hisbollah hatte allerdings noch am Montag, zumindest rhetorisch, Kampfbereitschaft signalisiert. Der stellvertretende Chef der islamistischen Organisation, Naim Kassim, sagte in einer TV-Ansprache:

Sollte Israel eine Bodenoffensive starten, so sei die Hisbollah bereit dafür, so Kassim, nur Stunden bevor diese Realität wurde. Laut dem Stellvertreter seien die in den vergangenen Tagen und Wochen von Israel getöteten Hisbollah-Kommandeure bereits ersetzt worden. Namen nannte er keine.

Als Nachfolger des kürzlich getöteten Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah wird dessen Cousin Hashim Safieddine gehandelt.

Folgen hat der israelische Bodenangriff vorerst vor allem auch für die Zivilbevölkerung: Zehntausende Libanesen flüchteten aus ihren Dörfern und Städten. Viele harren nun in der Hauptstadt Beirut aus und schlafen angesichts fehlender Unterkünfte teils auch auf Matratzen an der Küstenpromenade der Mittelmeerstadt. Die jüngste Eskalation dürfte bei vielen der rund neun Millionen Einwohner des Landes Erinnerungen an den letzten Krieg zwischen Israel und der Hisbollah vor 18 Jahren wecken.

So reagiert die Welt

Am frühen Dienstagmorgen gab es noch wenige internationale Reaktionen. Der Sprecher des US-Aussenministeriums, Matthew Miller, erklärte, dass Israel den USA gegenüber bestätigt habe, keine dauerhafte Besetzung des Südlibanons vorzunehmen und sich stattdessen auf die Ausschaltung von Infrastruktur der Hisbollah in Grenznähe konzentrieren wolle.

Grossbritannien hat derweil angekündigt, Staatsbürger aus dem Libanon zu evakuieren. Aussenminister David Lammy begründete den Schritt in einer von seinem Ministerium veröffentlichten Erklärung damit, dass die Sicherheit der ausreisewilligen britischen Staatsbürger im Libanon weiterhin «oberste Priorität» habe. Besonders gefährdete Briten würden dabei bevorzugt behandelt.

Der Abflug einer extra gecharterten Maschine ist demnach für Mittwoch vom Rafic Hariri International Airport in der libanesischen Hauptstadt Beirut geplant. Je nach Bedarf würden weitere Flüge eingesetzt.

Grossbritannien hatte letzte Woche bereits bekanntgegeben, 700 Soldaten nach Zypern zu entsenden, um eine allfällige Evakuierung zu unterstützen.

Die Vorgeschichte

Israel und der Libanon, in welchem die radikalislamische und dem Regime in Iran zugewandte Hisbollah grossen Einfluss besitzt, befinden sich seit langem in einem Konflikt. Mit dem Angriff der palästinensischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und der Reaktion der IDF darauf verschärfte sich die Lage aber auch zwischen Israel und seinem nördlichen Nachbarn.

Die Hisbollah begann aus Solidarität mit der Hamas unzählige Raketen Richtung Israel abzufeuern. Insbesondere der Norden Israels ist davon betroffen. Die israelische Armee antwortete seither mit Luftangriffen auf Ziele jenseits der Grenze und in den vergangenen Wochen auch vermehrt auf die Hauptstadt Beirut.

Zuletzt hat sich die Situation nochmals auf dramatische Weise verschärft. Unter anderem mit der Pager-Sabotage-Aktion und der Tötung von Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah gelangen Israel zwei harte Schläge gegen die Hisbollah.

Zudem greift das israelische Militär nun seit Tagen massiv Ziele im Nachbarland an, nach eigener Darstellung unter anderem Waffenlager der Hisbollah. Der Libanon meldete Hunderte Tote und Verletzte.

veröffentlicht: 1. Oktober 2024 11:23
aktualisiert: 1. Oktober 2024 11:23
Quelle: watson

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