Schweiz

Ab Juli: Diese Medikamente sind teurer – das musst du wissen

Neue Regelung

Diese Medikamente sind jetzt deutlich teurer

28.06.2024, 10:46 Uhr
· Online seit 12.06.2024, 04:45 Uhr
Ab Juli gibt es Preisänderungen bei Medikamenten. Für welche Medikamente musst du in Apotheken und Spitälern jetzt mehr bezahlen? Und wer profitiert davon? Wir haben dir zusammengestellt, was du wissen musst.
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Welche Anpassungen werden gemacht?

Am 1. Juli tritt die Massnahme «Anpassung beim Vertriebsanteil» in Kraft. Beschlossen hat dies der Bundesrat bereits im Dezember 2023 im Rahmen der Förderung von günstigeren Generika-Medikamenten.

Für den Schweizer Apothekerverband pharmaSuisse ist die Änderung notwendig, damit die Kosten gedeckt sind. Dies gelte für Ärzte, die Medikamente abgeben, sowie für Spitäler, Alters- und Pflegeheime. «Der Vertriebsanteil wird erstmals seit seinem Inkrafttreten vor 20 Jahren angepasst, damit dieser den tatsächlichen Kosten besser gerecht wird», teilt Martina Tschan mit, Mediensprecherin von pharmaSuisse.

Was ändert sich konkret?

Für Medikamente mit den gleichen Wirkstoffen gibt es neu einen einheitlichen Vertriebsanteil. Die Verkaufsstelle verdient also gleich viel, egal ob das Originalmedikament oder ein Generikum (ein Nachahmerpräparat mit den gleichen Wirkstoffen – in der Regel günstiger als Originalmedikamente) abgegeben wird. Diese Förderung von Generika ist politisch gewollt.

Zwei Zuschlagskategorien auf Medikamente werden vereinfacht. Beim preisbezogenen Zuschlag gibt es neu noch zwei statt drei Preisklassen. Dieser Zuschlag wird für einen grossen Teil der Medikamente reduziert, besonders die günstigen. Die grössten Änderungen gibt es beim packungsbezogenen Zuschlag. Hier werden sechs Preisklassen auf drei reduziert, was sich besonders auf die günstigsten Medikamente auswirkt.

Bei Medikamenten bis 4.99 Franken (Fabrikabgabepreis) wurde bisher ein Zuschlag von 4 Franken erhoben – dieser wird nun auf 9 Franken erhöht. Diese günstigsten Medikamente werden damit deutlich teurer.

Für Medikamente ab 880 Franken sinkt der packungsbezogene Zuschlag stark – teilweise um über 200 Franken. Ab 4721 Franken wird dieser Zuschlag dann wieder spürbar erhöht.

Welche Medikamente sind betroffen, welche nicht?

Gemäss Berechnungen des Bundesamts für Gesundheit werden rund 36 Prozent der Medikamente auf der Spezialitätenliste teurer und 64 Prozent günstiger. «Freiverkäufliche Medikamente sind davon nicht betroffen», wie Martina Tschan vom Schweizerischen Apothekerverband pharmaSuisse erklärt. «Nicht rezeptpflichtige Medikamente, die in der Spezialitätenliste sind, werden nur minimal tangiert (im Rappenbereich).»

Was bedeutet das für mich?

«Personen mit chronischen Erkrankungen sind weniger betroffen, weil sie ihre Franchise wahrscheinlich rasch erreichen, aber auch, weil sie bei Dauermedikation in der Regel grössere, teurere Packungen beziehen, deren Preis gesenkt und nicht erhöht wird», teilt die Mediensprecherin des Apothekerverbands mit.

Versicherte mit einer hohen Franchise würden in der Regel in der Apotheke nach einer günstigeren rezeptfreien Lösung suchen, wie Tschan sagt. Doch gerade diese Medikamente seien nicht von der Revision betroffen. «Personen mit einer hohen Franchise werden nur in akuten Fällen tangiert, weil diese einen Arztbesuch mit einer Verschreibung von Medikamenten erfordern.» Wer über einen Arzt oder eine Ärztin also günstige Medikamente verschrieben bekommen hat, muss mit höheren Kosten rechnen.

Das Bundesamt für Gesundheit hat einige Beispiele ausgewählt, um den veränderten Preis darzustellen:

Wer profitiert davon?

Von der Preisanpassung dürften besonders Gesundheitsinstitutionen wie Apotheken, Arztpraxen, Spitäler, Pflege- und Altersheime profitieren. Bei tiefpreisigen Medikamenten sei der Vertriebsanteil bisher nicht kostendeckend gewesen, wie der Schweizer Apothekerverband pharmaSuisse in einer Medienmitteilung schreibt. Für den Apothekerverband profitieren aber «alle davon, insbesondere die Prämienzahlerinnen und Prämienzahler.» Dies, weil es sich «um eine deutliche Systemverbesserung handelt und weder die Medikamentenqualität noch die Versorgungssicherheit gefährdet wird.»

Der Bundesrat geht davon aus, dass mit der Anpassung des Vertriebsanteils jährlich 60 Millionen Franken eingespart werden können.

Rechnen Apotheken mit negativen Rückmeldungen?

Wie die Today-Redaktion weiss, werden Apothekerinnen und Apotheker – wie bei ähnlichen Änderungen in der Vergangenheit – bereits geschult, wie sie mit erboster Kundschaft umzugehen haben. Der Apothekerverband kommuniziert dies offen: «Wir rechnen mit gewissen negativen Rückmeldungen», so Tschan. «Das Apothekenpersonal ist aber der falsche Adressat. Beim neuen Preismodell (Anpassung des Vertriebsanteils) handelt es sich um eine vom Bundesamt für Gesundheit verordnete Revision mit klaren Regeln, welche die Leistungserbringer umsetzen​.»

Wegen Medikamenten-Lieferengpässen und der Verschwendungsproblematik (zum Beispiel wegen des Verfalldatums der Medikamente) rät der Schweizerische Apothekerverband pharmaSuisse dringend von Hamsterkäufen vor dem 1. Juli ab.

Weshalb musste ich bereits seit Anfang Jahr teilweise mehr für Medikamente zahlen?

Bereits Anfang Jahr gab es einige Änderungen, die auch Medikamente betreffen. So wurde per 1. Januar 2024 die Mehrwertsteuer auf 8,1 Prozent erhöht. Damit soll die Finanzierung der AHV für die nächsten Jahre gesichert werden. Für Medikamente fällt der reduzierte Satz an, welcher ebenfalls erhöht wurde – von 2,5 auf 2,6 Prozent.

Ebenfalls ab Januar in Kraft getreten sind Massnahmen des Bundesrats zur Förderung von Generika. Wer lieber teurere Originalmedikamente statt günstigere Generika mit dem gleichen Wirkstoff will, muss sich stärker an den Kosten beteiligen (wenn diese die Franchise übersteigen). Bis Ende 2023 galt dabei ein Selbstbehalt von 20 Prozent; per 1. Januar 2024 wurde dieser auf 40 Prozent erhöht.

Der Bundesrat rechnet damit, dass diese Massnahme zu einer Kostensenkung von rund 250 Millionen Franken jährlich führen wird.

Warum kritisiert der Konsumentenschutz die neuen Massnahmen?

Der Konsumentenschutz begrüsst zwar, dass der frühere «Fehlanreiz» korrigiert wird: Er bestand darin, dass Apotheker, Ärzte und Spitäler am meisten profitierten, wenn sie möglichst teure Medikamente verkauften. Doch die Anpassung sehe man kritisch, «da sie die genannten Profiteure schützt und zusätzliche Kosten auf Patientinnen und Prämienzahler überträgt», wie Martin Walther von der Stiftung für Konsumentenschutz erklärt. Apotheken, Ärzte und Spitäler würden weiterhin von deutlich zu hohen Medikamentenmargen profitieren. «Bezahlt werden diese von den Patienten und Prämienzahlerinnen – wie so oft sind sie die Leidtragenden.»

Auch vom Einsparpotenzial für die Krankenkassen hält man beim Konsumentenschutz nicht viel: «60 Millionen entsprechen circa 0,16 Prozent der Gesamtausgaben der obligatorischen Krankenpflegeversicherung. Für die Versicherten bedeute dies eine kaum spürbare Einsparung von 50 bis 60 Rappen pro Monat. Die voraussichtliche Prämienerhöhung im nächsten Jahr ist deutlich höher.» Der Konsumentenschutz fordert, dass die zuständige Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider die Situation so rasch wie möglich neu beurteilt und eine Lösung ausarbeitet, die den Prämienzahlenden echte Einsparungen und Entlastung bringt.

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veröffentlicht: 12. Juni 2024 04:45
aktualisiert: 28. Juni 2024 10:46
Quelle: BärnToday

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