Schweiz

Tessiner Lega-Nationalrat Lorenzo Quadri missbraucht Brief von Mediapulse AG für SRG-Initiative

«Öffentliche Gelder»

10er-Nötli – Nationalrat missbraucht Dankeschön für SRG-Initiative

· Online seit 26.08.2024, 06:17 Uhr
Die Mediapulse AG legte Briefen für eine Umfrage zehn Franken bei. Der Tessiner Lega-Nationalrat Lorenzo Quadri behauptet, dass es sich dabei um politische Propaganda handle. Empörte Reaktionen folgten sofort – zu Unrecht.
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Seit der eingereichten Halbierungs-Initiative der SRG-Gebühren blicken TV-Publikum und Politik mit Argusaugen auf das Programm des Schweizer Radios und Fernsehens (SRF). Mit viel Misstrauen las Lorenzo Quadri, Tessiner Lega-Nationalrat, einen Brief zu einer Umfrage der Mediapulse AG.

«Es wäre interessant zu erfahren, wie viele Banknoten von 10 Franken auf diese Weise verteilt wurden (offensichtlich sind es öffentliche Gelder)», schrieb Quadri in einem Facebook-Post. Das Resultat der bezahlten Umfrage werde «offensichtlich» genutzt, um politische Propaganda gegen die «200 Franken sind genug!»-Initiative zu machen, behauptet er.

Im geposteten Brief bittet die Mediapulse AG für Medienforschung die Empfängerinnen und Empfänger, an einer sieben- bis zehnminütigen Umfrage über den Gerätebesitz und die Empfangsvektoren von Radio und Fernsehen teilzunehmen. «Als Dankeschön für Ihre Bereitschaft fügen wir diesem Brief eine Banknote von 10 Franken bei», steht im Schreiben weiter.

«Nicht aus öffentlichen Mitteln finanziert»

Reaktionen auf den Post folgten sofort; über 100 in Form von Likes, wütenden oder erstaunten Emojis. Auch die über 30 Kommentare fallen mehrheitlich empört aus. «Das stinkt nach Korruption!!!!», «Das ist Diktatur!» oder «Sind die denn verrückt???», lauten diese etwa.

Mit seiner Behauptung hat Lorenzo Quadri, der seit 2011 für den Kanton Tessin im Nationalrat sitzt und Chefredaktor der rechtspopulistischen Gratiszeitung «Il Mattino della Domenica» ist, aber einen Sturm im Wasserglas ausgelöst.

Die Mediapulse AG für Medienforschung bestätigt auf Anfrage, dass der Brief in ihrem Auftrag vom Felddienstleister M.I.S. Trend verschickt worden sei. Mediensprecherin Isabelle Waser macht darauf aufmerksam, dass die Umfrage bereits seit 2008 durchgeführt werde und in keinem Zusammenhang zu aktuellen medienpolitischen Initiativen stehe.

Auch fliessen keine Serafe-Gebühren in die Umfrage. «Der Establishment Survey wird nicht aus öffentlichen Mitteln, sondern durch den Radio- und TV-Markt der Schweiz finanziert.» Die beigelegten 10 Franken würden aus den laufenden Kosten der Radio- und Fernsehforschung und damit von den an der Forschung teilnehmenden privaten und öffentlichen Radio- und TV-Sendern finanziert.

«Themen werden missbraucht, um Stimmung gegen SRG zu machen»

Der Bundesrat will die Radio- und Fernsehabgaben ab dem Jahr 2029 von 335 auf 300 Franken senken und damit der Halbierungsinitiative den Wind aus den Segeln nehmen. Im Moment würden viele Themen im Zusammenhang mit Radio und Fernsehen missbraucht, um Stimmung gegen die SRG zu machen, sagt die Zürcher GLP-Nationalrätin Barbara Schaffner. «Dadurch kommt es auch zu Falschmeldungen.» Gerade Politikerinnen und Politiker müssten sich ihrer Verantwortung bewusst sein und Behauptungen überprüfen lassen, bevor sie diese verbreiteten.

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Lorenzo Quadri korrigiert seinen Post nicht. Die öffentlichen Sender würden von den Abgaben für Radio und Fernsehen finanziert, sagt er auf Anfrage. «Demnach wird eine mit den Geldern der öffentlichen Sender finanzierte Umfrage auch teilweise mit den Serafe-Gebühren finanziert», lautet seine Schlussfolgerung.

Geld zurückgeschickt

Die unabhängige Branchenorganisation Mediapulse AG führt die Umfrage pro Jahr schweizweit in 12'000 Haushalten durch. Die Erhebung von Daten zur Verbreitung von Empfangsmöglichkeiten ist laut Isabelle Waser Teil des im Radio- und TV-Gesetz festgeschriebenen Auftrags an die Mediapulse Stiftung für Nutzungsforschung. «Die Daten werden unter anderem benötigt, um die von der Mediapulse AG betriebene Forschung zur Nutzung von Radio und TV in der Schweiz korrekt und repräsentativ auszusteuern.»

Ein 10er-Nötli bekommen aber nicht alle Haushalte, sondern nur diejenigen, die keinen Eintrag in den Telefonverzeichnissen haben. «Diese Haushalte haben einen Extraaufwand, weil sie die Fragen schriftlich beantworten müssen. Dafür werden sie entschädigt», sagt Isabelle Waser. Diese Massnahme bewähre sich seit 2008. Es gebe aber auch Empfänger, die das Schreiben samt Geldschein retournierten.

veröffentlicht: 26. August 2024 06:17
aktualisiert: 26. August 2024 06:17
Quelle: ZüriToday

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