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Wehrlose Patientin in Königsfelden mehrfach geschändet? Brugger Gericht sagt nein

Urteil

Wehrlose Patientin in Königsfelden mehrfach geschändet? Das sagt das Brugger Gericht

09.07.2024, 18:57 Uhr
· Online seit 09.07.2024, 17:30 Uhr
Ein heute 38-jähriger Mann aus dem Kosovo stand am Dienstag wegen mehrfacher Schändung vor Gericht. Er soll eine fixierte und unter Medikamenten stehende Patientin in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden mehrmals sexuell genötigt haben, warf ihm die Staatsanwaltschaft vor. Er wird erstinstanzlich freigesprochen.
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Die Anklageschrift lässt einen erschaudern: Eine Frau wird in einem Moment grösster Verletzlichkeit ausgerechnet von einer Person, die sich um sie kümmern müsste, sexuell belästigt. An Händen und Füssen fixiert, unter Medikamenteneinfluss in der Psychiatrischen Klinik Königsfelden.

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Der Beschuldigte musste sich am Dienstag vor dem Bezirksgericht Brugg verantworten, wegen mehrfacher Schändung forderte die Staatsanwaltschaft 18 Monate Gefängnis bedingt, einen zwingenden fünfjährigen Landesverweis und ein lebenslängliches berufliches und ausserberufliches Tätigkeitsverbot mit Kontakt zu Minderjährigen. Die junge Frau beantragte zudem eine Zivilforderung geltend. Dem kam das Gericht jedoch nicht nach.

Angeklagter soll Betreuung von fixierter Patientin ausgenutzt haben

Der heute 38-Jährige war zum Tatzeitpunkt, an einem Abend im November 2022, als externer Mitarbeiter auf der Station der Kinder- und Jugendpsychiatrie Königsfelden eingeteilt. Er sollte die damals 16-Jährige im Sinn einer 1-zu-1-Betreuung in einem Isolierzimmer betreuen. Die Jugendliche war wegen möglicher Selbstgefährdung mit der Polizei in die Klinik gekommen.

Gemäss Anklageschrift war die Jugendliche an Armen, Bauch und Beinen auf das Bett fixiert und stand unter Einfluss von Temesta und Valium – beides Benzodiazepine, also Beruhigungsmittel. Er soll der jungen Frau dann an die Brust gefasst und ihre Brustwarzen mit den Fingern gestrichen haben und ihr gesagt haben, es sei alles gut. Demnach schlief die Patientin daraufhin ein.

Zu einem späteren Zeitpunkt am selben Abend, als die Patientin von ihren Fesseln befreit worden war und schlief, sei der mutmassliche Täter erneut an ihr Bett getreten und haben ihr unter dem Hemd die Brust massiert und unter ihren Kleidern auch über den Bauch gefahren, ehe er ihre Vagina anfasste.

Beschuldigter streitet Vorwürfe ab – ihm kann nichts nachgewiesen werden

Gemäss Tele M1 sagte die Patientin am Dienstag vor Gericht, sie könne sich zwar an kein Gesicht erinnern, aber an einen Mann, der zum Tatzeitpunkt gearbeitet habe. Sie habe nicht gewusst, dass sie unter Medikamenten stehe, sei aber sehr müde gewesen, habe sich deshalb weggedreht und wollte schlafen. Der Mann habe sie jedoch nicht losgelassen, sondern weitergemacht.

Dieser stritt beim Prozess alle Vorwürfe ab. Er könne sich das alles nicht erklären, die junge Frau hätte Suizidgedanken gehabt und Medikamente genommen. Er arbeite seit mehreren Jahren im Pflegebereich, so etwas würde er nie tun. Er sei erschrocken über die Forderungen der Staatsanwaltschaft und es gehe ihm wegen der Anschuldigungen nun selber psychisch schlecht. Er müsse nun selbst Medikamente nehmen.

«Klassisches Vier-Augen-Delikt»

Das Gericht bewerte seine allgemeine Glaubwürdigkeit als hoch, da er nicht vorbestraft sei, es gebe keine weiteren Strafuntersuchungen gegen ihn und er war immer erwerbstätig, berichtet Tele M1. Bei der Betroffenen fällt das Verdikt etwas anders aus. Zuvor hatte sie ausgesagt, der Beschuldigte habe ein Foto von ihr gemacht. Eine Überprüfung seines Handys ergab allerdings kein belastendes Material. Dazu stand die Frau unter starken Medikamenten, es wurde zudem von einer Gestalt berichtet, die niemand gesehen haben soll, so das Gericht in der Begründung. Es könnte demnach auch eine andere Person gewesen sein oder an einem anderen Ort oder auch zu einer anderen Zeit passiert sein. Dazu konnte sie den Täter nicht identifizieren. Das bedeutet, dass es sich bei der vorgeworfenen Tat um ein Vier-Augen-Delikt handelt – es gibt keine Zeuginnen oder Zeugen. Weiter geht das Gericht davon aus, dass die Frau den Pfleger nicht absichtlich belasten wollte.

Nach dem Freispruch sei der 38-Jährige sichtlich erleichtert, so sein Anwalt Michael Michlig gegenüber Tele M1. «Mein Klient wusste nicht, ob es einen Landesverweis gibt oder ob er ins Gefängnis muss, das hat ihn schwer belastet.» Aufgrund des Untersuchungsergebnisses habe die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben, so der Staatsanwaltschaft Christoph Rüedi, da man nicht von einer Straflosigkeit ausgehen konnte. «Im Wesentlichen hat es nur Personenbeweis gegeben und anhand der Beweislage ist das Gericht davon ausgegangen, dass im Zweifel für den Angeklagten ein Freispruch erfolgen muss.» Man nehme das Urteil zur Kenntnis, werde aber intern beraten, ob das Urteil so zu akzeptieren sei oder ob man es an die nächste Instanz weiterziehen will.

(lba/sib)

veröffentlicht: 9. Juli 2024 17:30
aktualisiert: 9. Juli 2024 18:57
Quelle: ArgoviaToday

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