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Verheerender Auftritt beim TV-Duell: Wird Joe Biden jetzt doch noch zurücktreten?

Kommentar

Wird Joe Biden jetzt doch noch zurücktreten?

28.06.2024, 07:34 Uhr
· Online seit 28.06.2024, 06:55 Uhr
Die Debatte mit Donald Trump war keine gute Nacht für den Präsidenten.
Philipp Löpfe / watson
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Eine der ersten Lektionen, die angehenden Wirtschaftsjournalisten eingetrichtert werden, lautet: möglichst wenig Zahlen. Sie sind «optischer Lärm» und gehören in eine Box. Diese simple Lektion ist bei Joe Biden offenbar nicht angekommen. Er begann seine Eröffnungsrede mit einem Schwall von Zahlen, von denen keine einzige beim Zuschauer hängen blieb, und dass er dies auch noch mit heiserer Stimme und vielen Hängern tat, machte das Ganze nicht wirklich besser.

Nein, es war nicht der Biden der «State of the Union»-Rede, die sich seinen Anhänger erhofft und die meisten Politgurus erwartet hatten. Es war der Biden, der zum Albtraum der Demokraten geworden ist: Er wirkte unsicher und alt. Den einzigen Beweis, den der Präsident überzeugend abgeliefert hat: Er war mit Sicherheit nicht «jacked up» (gedopt), wie das seine Gegner im Vorfeld der Debatte insinuiert hatten.

Biden startete auf dem falschen Fuss, und konnte den Fehlstart während 90 langen, oft qualvollen Minuten, nie korrigieren. Nur selten gelangt es ihm, Trump wirkungsvoll entgegenzutreten, etwa, als er darauf hinwies, dass der Ex-Präsident nicht nur ein rechtmässig verurteilter Verbrecher ist, sondern dass er auch hundert Millionen Dollar an Strafgeldern bezahlen muss.

Auch visuell war Biden schwach. Sprach sein Opponent, blickte er meist regungslos auf den Boden oder irgendwie in den Raum. Nicht einmal gelang es ihm, Trump aus der Fassung zu bringen. Dieser hingegen hatte erstaunlicherweise seine Hausaufgaben gemacht. Er rastete nicht aus und tat, was er am besten kann: Er log, dass sich die Balken bogen.

So erklärte Trump beispielsweise, dass alle Amerikanerinnen und Amerikaner die Aufhebung von «Roe v. Wade» gewollt hätten. Dieses Urteil legalisierte die Abtreibung vor mehr als 50 Jahre auf nationaler Ebene und eine legale Abtreibung wird nach wie vor von der überwiegenden Mehrheit begrüsst.

Ohne Widerspruch konnte Trump auch behaupten, Nancy Pelosi sei für den Sturm auf das Kapitol verantwortlich. Die damalige Mehrheitsführerin der Demokraten im Abgeordnetenhaus habe am 6. Januar 2021 das Angebot des Präsidenten, 10’000 Soldaten der Nationalgarde nach Washington zu beordern, ausgeschlagen. Diese Lüge ist nicht nur schon x-mal widerlegt worden, sie ist auch faktisch Unsinn. Pelosi hatte die Kompetenz dazu gar nicht.

Trump-Lügen im Minutentakt

Weitere Trump-Lügen folgten im Minutentakt: Er übertrieb das Ausmass der Teuerung für Nahrungsmittels, so schmerzhaft sie für den Mittelstand ist, auf absurde Weise. Er behauptete, Biden wolle die Steuern vervierfachen und stritt auch ab, Sex mit dem Pornostar Story Daniels gehabt zu haben. Hingegen wich er der Frage, ob er das Resultat der Wahlen akzeptieren werden, einmal mehr aus, ohne dass deswegen die beiden Moderatoren nachhakten. Dafür führte Trump bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit die chaotische Situation an der Grenze an und machte den Präsidenten dafür verantwortlich.

Dabei hätte Biden inhaltlich so viel zu bieten gehabt, sein Leistungsausweis ist beeindruckend. Von allen Volkswirtschaften hat die amerikanische die Covid-Krise am besten gemeistert. In der Wirtschaft sind Millionen von gut bezahlten Jobs entstanden. Geopolitisch hat Biden die NATO wieder geeint und Wladimir Putin in die Schranken gewiesen; und mit dem Green New Deal hat er griffige Massnahmen gegen die Klimaerwärmung durchgesetzt.

Im Zahlengewitter von Joe Biden ist davon jedoch beim nicht informierten Zuschauer wenig bis nichts hängen geblieben. Wollen die Demokraten im November Trump besiegen, kommt es jedoch genau auf diese Wählerinnen und Wähler an. Der schwache Auftritt des Präsidenten von gestern Nacht war diesbezüglich alles andere als zielführend. Gut möglich, dass jetzt die Diskussionen wieder aufflammen, Biden kurz vor der Ziellinie aus dem Rennen zu nehmen und durch eine andere Kandidatin oder Kandidaten zu ersetzen.

veröffentlicht: 28. Juni 2024 06:55
aktualisiert: 28. Juni 2024 07:34
Quelle: watson

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