Schweiz

Bekannte Schweizer trans Frau Nadia Brönimann bereut Geschlechtsanpassung

Von Klischee und Bedürfnis

Bekannte Schweizer trans Frau Nadia Brönimann bereut Geschlechtsanpassung

· Online seit 18.08.2024, 15:35 Uhr
Nadia Brönimann ist eine der bekanntesten trans Personen der Schweiz und galt inoffiziell als Botschafterin der Community. Nun spricht sie in einem Interview offen darüber, dass sie ihre Geschlechtsanpassung bereut.
Anzeige

Nadia Brönimann, geboren als Christian Brönimann, wurde vor 26 Jahren zur trans Frau. Da das Thema zum damaligen Zeitpunkt noch viel stärker tabuisiert wurde, beförderte ihr offener Umgang mit der Geschlechtsanpassung sie ins Scheinwerferlicht.

Brönimann warb jahrelang auch öffentlich für Verständnis und Offenheit gegenüber trans Personen, trat in Fernsehsendungen auf und gab Interviews. Nun hat die 55-Jährige in einem solchen mit dem «Tages-Anzeiger» erklärt, dass sie ihre Geschlechtsanpassung bereut.

Scan den QR-Code

Du willst keine News mehr verpassen? Hol dir die Today-App.

Im Korsett gefangen

Der Gedanke der «Detransition» brodle schon lange in ihr, so Brönimann. Über die Gründe sagt sie: «Ich empfinde es immer mehr als Korsett, das gewohnte Bild von Nadia aufrechtzuerhalten.» Sie fühle sich gefangen in einem weiblichen Rollenmuster, müsse sich ständig überlegen, ob sie genügend Weiblichkeit ausstrahle, was erschöpfend sei. «Das äussere Erscheinungsbild und das innere Empfinden stimmen nicht mehr überein.»

Es sei ein Trugschluss, dass trans Menschen binäre Geschlechterrollen hinter sich lassen würden – die binäre Ordnung in Bezug auf visuelle Merkmale wie lange Haare, die als weiblich gelten, sei bei vielen als starkes Klischee verankert. Auch darum trägt sie ihre Haare jetzt wieder kurz. Brönimann erklärt, sie spüre das Bedürfnis, sich selbst wieder Christian zu nennen. «Ich möchte wieder Ja sagen zu Christian, den ich jahrelang verdrängt und weggeschoben habe. Ich trauere darum, was ich ihm und seinem gesunden Körper angetan habe.»

Ob sie die Hormone nach 30 Jahren wieder umstellen werde, wisse sie aber noch nicht, so Brönimann. Mit 55 sei das ein grosser Eingriff, sie fürchte sich vor weiteren Komplikationen nach zahlreichen Operationen und starken Nebenwirkungen der Hormontherapie. «Natürlich wäre es besser gewesen, wenn mir das alles mit 35 schon klar gewesen wäre. Oder ich den Mut gehabt hätte, mir einzugestehen, diesen Weg zurückzugehen. Dann wäre heute vieles einfacher.»

Äusseres ändert nicht Inneres

Brönimann gibt an, dass es «nicht offensichtlicher» hätte sein können, dass nicht ihr Körper das wahre Problem gewesen sei. Die Geschlechtsanpassung sei eine Flucht gewesen, weil sie sich als Christian nie gut genug gefühlt habe. Heute sei ihr klar, dass das Innere nicht mit dem Äusseren geändert werden könne, so Brönimann sinngemäss.

Vorausgegangen war dem Interview ein Post von Brönimann auf Instagram, den sie mit den Hashtags #detrans und #newchapter versah. Die Reaktionen auf ihren Post seien mit überwältigender Mehrheit positiv ausgefallen. Nur aus der trans Community gebe es bisher keine einzige Rückmeldung. Stattdessen würde diese schweigen. Brönimann äussert daran starke Kritik und sagt: «Viele trans Menschen sehen mich als Verräterin. Dass ich über meinen Detransition-Wunsch spreche, macht mich zur Persona non grata.»

Ihr werde vorgeworfen, dass sie mit ihren Äusserungen und ihrem Detransitionswunsch «das feindliche Lager und die SVP» bediene und damit ein negatives Bild des Themas in der Öffentlichkeit verbreite. Dabei wolle sie nur, dass über Detransition genauso offen und ehrlich gesprochen werde wie über alle anderen Aspekte. Denn sie kenne viele trans Menschen, die mit ähnlichen Gedanken und Problemen kämpften wie sie. Doch niemand wolle das hören. Stattdessen erfahre man Ablehnung. «Die Toleranz, die nach aussen so laut gefordert wird, wird in den eigenen Reihen nicht gelebt.»

Sie sei sich bewusst, dass sie mit ihren öffentlichen Aussagen anecke: «Ich könnte mir mein Leben sehr viel einfacher machen, wenn ich zu diesem unpopulären Thema schweigen würde.»

Zu früh und zu schnell

Die 55-Jährige kritisiert auch schon seit längerem den Umgang mit Jugendlichen, die über eine Geschlechtsanpassung nachdenken. Diese würden zu früh und zu schnell mit Medikamenten «unterstützt». In anderen Ländern sei man mittlerweile vorsichtiger, in der Schweiz jedoch nicht.

Jugendliche sollten sich zu 100 Prozent im Klaren darüber sein, was eine Transition bedeuten könnte. Nämlich, dass es im schlimmsten Fall passieren könne, dass die medizinische Geschlechtsangleichung nicht der richtige Weg war und diese nicht die erhoffte Befreiung brachte. «Und dass diese Erkenntnis eine grosse Trauer in ihnen auslösen wird. Dass es dann ein noch grösserer Kraftakt ist, auf der Spur zu bleiben, wenn man erkennt, in welcher Sackgasse man sich befindet.»

(con)

veröffentlicht: 18. August 2024 15:35
aktualisiert: 18. August 2024 15:35
Quelle: watson

Anzeige

Mehr für dich

Anzeige
Anzeige
argoviatoday@chmedia.ch