Aargau/Solothurn

Keine Autodurchsuchung ohne Verdacht – das sind die Folgen für die Polizei

Aargau

Keine Autodurchsuchung ohne Verdacht – das sind die Folgen für die Polizei

11.10.2024, 17:57 Uhr
· Online seit 11.10.2024, 14:58 Uhr
Das Aargauer Obergericht hat einen 22-jährigen Autofahrer freigesprochen, der unerlaubt einen Teleskopstock mitführte. Der Grund: Er wurde unzulässigerweise ohne Verdacht kontrolliert. Dieses Urteil hat nun Folgen für die Arbeit der Kantonspolizei Aargau.
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Am 8. August 2023 wurde der Schweizer kurz vor Mitternacht bei einer Verkehrskontrolle von der Kantonspolizei Aargau angehalten. Der darauffolgende Drogen- und Alkoholtest fiel negativ aus. Trotzdem durchsuchten die Beamten das Auto des 22-Jährigen. Dabei entdeckte die Polizei einen illegalen Teleskopstock.

Der Autofahrer wehrte sich mit einer Einsprache am Bezirksgericht Aarau erfolgreich gegen den daraus resultierenden Strafbefehl. Die Aargauer Staatsanwaltschaft zog das Urteilt weiter, aber auch das Aargauer Obergericht gab dem Autofahrer recht. Für die Durchsuchung des Fahrzeugs hätte es laut Urteilsbegründung des Obergerichts «einen Verdacht gebraucht, wobei ein solcher nicht vorlag». Es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Polizisten das Fahrzeug durchsucht hätten, weil sie von einer Gefahr in Verzug ausgegangen seien.

Keine Grosskontrollen mehr?

Die Aargauer Kantonspolizei hat aus diesem Urteil bereits erste Konsequenzen gezogen. Wie Sprecher Bernhard Graser erklärt, wird dadurch zwar nicht die gesamte polizeiliche Praxis auf den Kopf gestellt. Aber: «Wir müssen unser Vorgehen künftig gegenüber der Justiz besser begründen.» Konkret bedeutet dies, dass die Polizei in ihrem Rapport klar darlegen muss, was genau der Anlass für eine Kontrolle war. Das war beim Fall um den Autofahrer mit dem Teleskopstock nicht ausreichend protokolliert.

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Deshalb ist Graser überzeugt: «Das Urteil bedeutet nicht, dass jetzt alle Personen eine Kontrolle vermeiden können. Die rechtlichen Grundlagen bleiben bestehen.» So darf die Aargauer Kantonspolizei auch weiterhin auf Grosskontrollen wie beispielsweise auf der Autobahn A1 setzen. Diese sind laut Bernhard Graser gesetzlich an einem anderen Ort geregelt. «Wenn es dann aber um die genauere Durchsuchung von Personen und Fahrzeugen geht, kommt das Polizeigesetz zur Anwendung. Und da braucht es eben einen konkreten Verdachtsmoment.» Und genau diesen muss die Polizei im Rapport künftig genauer festhalten.

Wann besteht ein Verdachtsmoment?

Die Kontrollen der Polizei richten sich grösstenteils an den Umständen, wie sie die Polizisten vorfinden. Wurde also beispielsweise ein Einbruch begangen und die Polizei fahndet nach dem Täter, dann darf sie bei zusammenhängenden Kontrollen Personen und Fahrzeuge genauer durchsuchen. Eben weil der Verdachtsmoment eines Einbruchs besteht.

Oder haben die Polizisten den Eindruck, dass es in einem Fahrzeug beispielsweise nach Cannabis riecht, dann darf sie den Fahrer sowie das Auto kontrollieren. Eben weil der Verdachtsmoment von Betäubungsmittel besteht.

Und genau diese Verdachtsmomente muss die Polizei in ihrem Rapport, der auch an die Justiz geht, festhalten. Diesbezüglich hat die Aargauer Kantonspolizei bereits das gesamte Corps sensibilisiert. «Die polizeiliche Praxis war bis anhin gut, da müssen wir nichts ändern und sie wurde auch nicht angezweifelt. Das ganze Korps wurde aber als Folge auf das Urteil angehalten, die Verdachtsmomente bei einer Kontrolle klar im Rapport festzuhalten», so Graser. Die Kantonspolizei werde das Urteil aber noch vertiefter analysieren und allenfalls weitere Anpassungen vornehmen.

Anwalt kritisiert Polizeiarbeit

Camill Droll ist Anwalt in Olten und vertrat den Schweizer, der sich gegen die Durchsuchung seines Fahrzeugs bis vor das Aargauer Obergericht wehrte. Er freut sich, dass sein Klient recht bekam und betont gegenüber Tele M1: «Das Urteil ist nicht nur richtig, sondern auch wirklich wichtig für das Verständnis der Polizeiarbeit.» Generell sei dieses Verständnis bei den Schweizer Behörden eher klein. Er betont deshalb: «Ich bin nicht der Ansicht, dass die Kontrolle im Fall meines Klienten ungenügend dokumentiert wurde. Das Obergericht urteilte ganz klar, dass es keinen Grund für eine Kontrolle mit anschliessender Autodurchsuchung gab.» Die Tests, die die Polizei machen durfte, seien durchgeführt worden. Danach hätte der Schweizer aber weiterfahren dürfen.

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Anwalt Droll sieht es deshalb als «wünschenswert», dass sich mehr Personen gegen Polizeikontrollen wehren. «Ich kann in meiner 4-jährigen Tätigkeit sagen, dass ich immer wieder Fälle wegen Polizeikontrollen habe.» Er kritisiert deshalb auch die Arbeit der Polizei und ist der Meinung, dass die Polizisten «oftmals ein komisches Verständnis haben, was sie dürfen und was nicht». Er sieht es als Strafverteidiger grundsätzlich sehr problematisch, wenn sich die Polizei durch ein Bauchgefühl leiten lässt. «Wenn das zulässig sein soll, dann haben wir am Schluss keine Möglichkeit mehr, dass in irgendeiner Form zu überprüfen.»

Auch Radio Argovia hat über das Thema berichtet. Hier kannst du den Beitrag nachhören:

veröffentlicht: 11. Oktober 2024 14:58
aktualisiert: 11. Oktober 2024 17:57
Quelle: ArgoviaToday

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