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Physik-Nobelpreis geht an KI-Grundlagenforscher aus Nordamerika

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Physik-Nobelpreis geht an KI-Grundlagenforscher aus Nordamerika

08.10.2024, 13:20 Uhr
· Online seit 08.10.2024, 12:12 Uhr
Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an die KI-Grundlagenforscher John Hopfield aus den USA und den Geoffrey Hinton aus Kanada. Sie erhalten den Preis für grundlegende Entdeckungen, die maschinelles Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen ermöglichen.
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Den Forschern seien entscheidende Erfindungen gelungen, die maschinelles Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen ermöglichten, teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mit. «Das maschinelle Lernen auf der Grundlage künstlicher neuronaler Netze revolutioniert derzeit die Wissenschaft, die Technik und das tägliche Leben.»

Die frühen Modelle von Hopfield (91) und Hinton (76) legten auch wichtige Grundlagen für Entwicklungen, die heute einen grossen Einfluss haben. «Egal wo man hinschaut, neuronale Netzwerke stecken überall drin», sagte der Informatik-Professor Benjamin Grewe von der Universität Zürich (UZH) und der ETH Zürich zur Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Etwa in fahrerlosen Autos, in Sprachmodellen wie Chat-GPT, oder in KI-Modellen, die Protein-Faltungen vorhersagen.

Vom Gehirn inspiriert

Laut der Königlich-Schwedische Akademie wird maschinelles Lernen seit langem in Bereichen eingesetzt, die aus früheren Nobelpreisen für Physik bekannt sind - etwa, um die riesigen Datenmengen zu sichten und zu verarbeiten, die für die Entdeckung des Higgs-Teilchens erforderlich waren.

Die Technologie wurde ursprünglich von der Struktur des Gehirns inspiriert. In einem künstlichen neuronalen Netz werden die Neuronen des Gehirns durch Knoten dargestellt, die sich gegenseitig durch mit Synapsen im Gehirn vergleichbaren Verbindungen beeinflussen. Das Netzwerk wird trainiert, indem zum Beispiel stärkere Verbindungen zwischen bestimmten Knoten aufgebaut werden.

Hopfield-Netzwerk und Boltzmann-Maschine

John Hopfield entwickelte ein nach ihm benanntes Netzwerk, das eine Methode zum Speichern und Wiederherstellen von Mustern verwendet. Der in Grossbritannien geborene Hinton verwendete dieses als Grundlage für ein weiteres Netzwerk: die Boltzmann-Maschine. Diese kann lernen, charakteristische Elemente in einer bestimmten Art von Daten - etwa bestimmte Elemente in Bildern - zu erkennen.

Forschung und Entwicklung in diesem Bereich sind in den vergangenen Jahren rasant vorangeschritten. Moderne Systeme basieren auf komplexeren Architekturen und können mit enormen Datenmengen umgehen. «Die Arbeit der Preisträger ist bereits von grösstem Nutzen. In der Physik verwenden wir künstliche neuronale Netze in einer Vielzahl von Bereichen, beispielsweise bei der Entwicklung neuer Materialien mit spezifischen Eigenschaften», sagte Ellen Moons, Vorsitzende des Nobelkomitees für Physik.

Vorausberechnete Materialeigenschaften

Auch bei der Messung von Gravitationswellen, kollidierenden Schwarzen Löchern oder der Suche nach Exoplaneten kommen solche Systeme zum Einsatz. Eigenschaften von Molekülen und Materialien werden vorausberechnet - etwa um zu bestimmen, welche Materialien besonders günstige Eigenschaften für die Verwendung in effizienteren Solarzellen haben könnten.

Neben immer neuen und erweiterten Anwendungsbereichen für maschinelles Lernen, gibt es aber auch Diskussionen über ethischen Fragen zur Nutzung solcher Technologien. Hinton selbst kündigte im Jahr 2023 seinen Job bei Google Brain, dem KI-Forschungsteam des Unternehmens, um frei über die Risiken von KI sprechen zu können. Er veröffentlichte zusammen mit anderen führenden KI-Forschern mehrere Stellungnahmen zu dem Thema. Demnach sehen sie in KI eine potenzielle Gefahr für die Menschheit und rufen dazu auf, die Risiken ernst zu nehmen.

Beide Preisträger forschten in zahlreichen Gebieten

Hinton wurde in London geboren und studierte an der Universität Cambridge - zunächst unter anderem Philosophie und Physik, ehe er zu experimenteller Psychologie wechselte. Seine Doktorarbeit schrieb er in im Jahr 1978 bereits über KI. Später zog er in die USA, wo er Grundlagen neuronaler Netzwerke erforschte. Weil ein Grossteil der KI-Forschung in den USA damals vom Militär finanziert wurde und er den Einsatz der Technik im Kampf ablehnte, ging er 1987 nach Kanada.

Hopfield stammt aus Chicago. Er studierte Physik und arbeitete in Laboren, ehe er Anfang der 1960er Jahre zunächst an die University of California in Berkeley und dann an die Princeton University wechselte. Über zahlreiche Stationen, etwa bei der US-Weltraumbehörde Nasa und in einem wissenschaftlichen Beratungsgremium des US-Präsidenten, kehrte er 1997 nach Princeton zurück. Dort, wo er einst Professor für Physik war, ist er heute Professor für Molekularbiologie.

«Was mich immer noch am meisten fasziniert, ist die Frage, wie der Geist aus der Maschine kommt», erzählte Hopfield in einem Interview mit dem Wissenschaftsmuseum Franklin Institute. Deswegen beschäftige er sich in seiner Forschung mit dem Gedächtnis.

Schweizer Forscher vor fünf Jahren ausgezeichnet

Vor fünf Jahren ging der Preis zuletzt an die Schweiz. Die beiden Astronomen Didier Queloz und Michel Mayor wurden damit für die Entdeckung des ersten Planeten ausserhalb unseres Sonnensystems ausgezeichnet.

Am Mittwoch werden die Träger des Chemie-Nobelpreises verkündet. Am Donnerstag und Freitag folgen die Bekanntgaben für den Literatur- und den Friedens-Nobelpreis. Der Reigen endet am kommenden Montag mit dem von der schwedischen Reichsbank gestifteten Wirtschafts-Nobelpreis.

Die Vergabe aller Auszeichnungen findet am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.

(sda)

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veröffentlicht: 8. Oktober 2024 12:12
aktualisiert: 8. Oktober 2024 13:20
Quelle: FM1Today

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